Hunger im Gazastreifen? Die Wahrheit hinter den Schlagzeilen
Chaim Lax, HonestReporting, 8. Mai 2025
„Gaza rückt einer Hungersnot näher, während Israels Blockade sich dem dritten Monat nähert“ (CNN, 1. Mai 2025)
„Hungerstod droht, während Israels totale Blockade des Gazastreifens in den dritten Monat geht“ (NBC News, 4. Mai 2025)
„Israel lässt uns im Gazastreifen verhungern. So fühlt es sich an.“ (The Guardian, 6. Mai 2025)
Einmal mehr wimmelt es in den Schlagzeilen und NOG-Pressemitteilungen mit der Nachricht, dass der Gazastreifen am Rande einer Hungersnot und Massenverhungern steht. In vielen Fällen geben diese Untergangsvorhersagen die Schuld eindeutig Israel und seiner zweimonatigen Blockade der Küstenenklave.
Aber stimmt das? Ist Israels anhaltende Blockade kurz davor eine Massen-Hungersnot im gesamten Gazastreifen zu verursachen?
Die Antwort ist komplexer und differenzierter als die sensationalistischen Schlagzeilen uns glauben machen wollen.
Wenn man die Nachrichten zu der angeblich anhaltende Lebensmittelkrise im Gazastreifen liest, ist es wichtig im Hinterkopf zu behalten, dass
Während des zweiten Waffenstillstands Anfang 2025 ist ausreichend Hilfe in den Gazastreifen geliefert worden, um seine zwei Millionen Einwohner mindestens fünf bis sechs Millionen zu ernähren.
Die Ungleichheit der Verteilung von Lebensmitteln unter den Menschen des Gazastreifens hat als Ursache eine Reihe von komplizierenden Faktoren vor Ort, darunter die Kaperung der kostenlosen Lebensmittelhilfe durch die Hamas und ihre Ausnutzung für Profite.
Die israelische Führung entwickelt derzeit Pläne zum Neustart der Verteilung von Lebensmitteln an die Gaza-Palästinenser, ohne dass sie der Hamas in die Hände fällt.
Den Krieg hindurch hat es verschiedene Behauptungen gegeben, israelische Einschränkungen der Hilfe hätten eine bevorstehende Hungersnot verursacht. Von diesen vorhergesagten Hungersnöten ist allerdings nie eine eingetroffen.
Die Mangelernährung bei Kindern im Gazastreifen gleicht in etwa der Mangelernährung, die es vor Beginn des Krieges gab.
Märkte, Restaurants und Essensschlangen: Die Lage der Lebensmittelhilfe im Gazastreifen
Nach einem sechswöchigen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas im Januar und Februar 2025 verhängte Israel eine totale Blockade des Gazastreifens, in der Hoffnung die Hamas unter Druck zu setzen israelische Geiseln freizulassen und bessere Bedingungen für einen erneuerten Waffenstillstand zu erhalten.
Unter dieser Blockade gibt es keine Hilfe und Materialien (einschließlich Lebensmitteln), die in den umkämpften Streifen gebracht wird.
In diesen sechs Wochenzwischen Beginn des Waffenstillstands und der Verhängung der Blockade ermöglichte Israel die Lieferung von 338.676 Tonnen Lebensmittel in den Gazastreifen.
Laut der Schätzung des Welternährungsprogramms würde diese Menge an Lebensmitteln ausreichen alle 2 Millionen Einwohner des Gazastreifens 5 bis 6 Monate zu versorgen, während – laut der Schätzung der UNO – diese Menge 6 bis 8 Monate lang reichen sollte.
heute, weniger als vier Monate seit Beginn des Waffenstillstands, ist klar, dass es immer noch reichlich Vorräte an verfügbaren Lebensmitteln im gesamten Gazastreifen geben sollte.
Wenn dem so ist, was ist dann der Grund für die verstörenden Bilder palästinensischer Zivilisten, die in langen Schlangen vor Lebensmittelausgaben anstehen?
Laut Lazar Berman, Journalist der Times of Israel, deutet die Existenz langer und chaotischer Lebensmittelschlangen von Gazanern, die Märkte und Restaurants besuchen (die noch die Aufmerksamkeit der Mainstream-Medien erfahren müssen) wahrscheinlich auf ein Ungleichgewicht bei der Verteilung von Hilfe innerhalb des Streifens. Manche Berichte haben zwar ausreichenden Zugang zu Lebensmitteln, aber andere Bereiche haben entweder kaum Zugang zu Lebensmitteln oder haben nur Nahrung zu überhöhten und einschränkenden Preise Zugang dazu.
Einer der Hauptfaktoren, die zu dieser Unstimmigkeit beim Zugang zu Nahrungsmittelhilfe beitragen, ist die Hamas selbst; sie hat eine beträchtliche Menge dieser kostenlosen Lebensmittelhilfe beschlagnahmt, entweder um sie zu horten oder sie zu überhöhten Preisen zu verkaufen und ihre Kassen mit den Profiten zu füllen.
Mangelernährung bei Kindern
Neben Geschichten und Bildern langer Lebensmittelschlangen hat ein weiterer Aspekt der angeblichen Lebensmittelkreise im Gazastreifen erhebliche Aufmerksamkeit der Medien erhalten; das ist die Unterernährung der Kinder vor Ort.
In der ersten Hälfte des Aprils 2025 wurden 32.000 Kinder auf akute Mangelernährung untersucht. Von den Untersuchten wurden 984 mit schwerer oder mittelschwerer Unterernährung diagnostiziert.
Obwohl jedes Niveau an Unterernährung unter Kindern beklagenswert ist, hat der Analyst Mark Zlochin festgestellt, dass dieses Niveau an Unterernährung bei Kindern (3%) tatsächlich etwas niedriger liegt als die Rate, die im Gazastreifen vor dem Krieg herrschte.
Im Rahmen der medialen Berichterstattung zu Unterernährung bei Kindern konzentrieren sich die Nachrichtenmedien auf bestimmte Beispiele, um dem Thema ein menschliches Gesicht zu geben.
In vielen Fällen leiden die in diesen Storys präsentierten Kinder allerdings unter Vorerkrankungen, die zu ihrem Krankheitsstatus beitragen können. Beispielsweise haben NBC News, CBC News, und CNN allesamt über Osama Al-Raqab berichtet, einen 6-jährigen Jungen aus dem Gazastreifen, bei dem Unterernährung diagnostiziert wurde. Anders als die Beschreibung, er sei „voller Leben“ und „früher gesund“ gewesen, leidet Osama an Mukoviszidose, einer Krankheit, die auch unter den günstigsten Umständen zu Unterernährung führen kann. Israels Blockade die Schuld für Osamas Zustand zu geben, ist sowohl irreführend als auch manipulativ.
Zusammengefasst lässt sich sagen: Während viele Medien und NGOs Israels zweimonatiger Blockade des Gazastreifens als einzige Ursache für bevorstehende Hungersnot und Massenverhungern in der Region darstellen, sieht die Realität weit komplexer aus.
Es ist an der Zeit, dass die Medien die Komplexität anerkennen und vor allem aufhören auf das Hamas-Narrativ einer nicht existenten Hungersnot im Gazastreifen hereinzufallen.